[Indrani Schmid] Eine Sonntagsmatinée wie im Bilderbuch – zu «Musique de cour» lud die Flötistin Regula Bernath auf den elterlichen Hof in Thayngen ein – gut 100 Zuhörer erlebten ein abwechslungsreiches Konzert. Sie duften schon sehr verlockend, die Zwetschgen. Wie zum Takt tanzen sie leicht am Ast ihres Baumes. Es ist Sonntagvormittag, die Sonne scheint auf die gut 100 Zuhörerinnen und Zuhörer, die gespannt dem Trio Regula Bernath (Flöte), Lukas Stamm (Klavier) und Simone Flück (Violine) zuhören. Ihre Musik schwebt über die altehrwürdigen Obstbäume des väterlichen Hofes von Regula Bernath. Wie aus der Zeit gefallen erscheint dieser Ort inmitten des Thaynger Industriegebiets. «Musik frisch ab Hof», heisst die Reihe, zu der Regula Bernath im Sommer einlädt. An diesem Sonntag standen Werke für Flöte, Violine und Klavier von Carl Philipp Emmanuel Bach, Joseph Bodin de Boismortier, Jean Françaix, Arthur Mancini, Jacques Ibert und Dimitri Schostakowitsch auf dem Programm. Die Stücke haben – so unterschiedlich sie auf den ersten Blick erscheinen – eines gemeinsam: Leichtigkeit und Verschmitztheit. Wie es der Titel «Musique de cour» (Hofmusik) in seiner schalkhaftigen Doppeldeutigkeit bereits andeutet. Als begnadeter Hofmusik-Komponist galt auch Joseph Bodin de Boismortier, dessen Andante und Menuett 1-3 aus der Sonate für Flöte und Violine, op. 51/6 von der Flötistin Regula Bernath und der Violinisten Simone Flück elegant interpretiert wurde. Wie zwei Bänder, die sich zu einer Schleife vereinigen, wechselten sich die beiden Stimmen immer wieder zwischen Motiv und Begleitung ab. Fast unmerklich, präzise und mit viel Liebe zum Detail. Die Interpretation liess die Zuhörenden ahnen, warum die Zeitgenossen diesen Barockkomponisten als «galant» bezeichneten. Als elegant und Zeichen höherer Bildung und Standes galt es, den Sonntag mit einer Sonntagsmatinée zu beginnen. Also mit der Tradition, am Vormittag ein Konzert, eine kulturelle Veranstaltung zu besuchen, nach deren Ende man zum Sonntags-Mittagstisch eilte. Auf den Spuren der Tradition In dieser erst höfischen, dann später bildungsbürgerlichen Tradition glaubt man sich auch an diesem Sonntag, vor allem wenn das Trio mit der «Gavotte» und dem «Walzer» aus «5 Stücke» von Dmitri Schostakowitsch etwas weniger bekannte Stücke aufführt. Zaubert die «Gavotte» mit ihrer Frühlingsfrische sofort ein Lächeln, so träumt man mit dem Walzer eher müssig in den Tag hinein. Das Klavier klingt beinahe wie ein Cembalo, die Melancholie der Flöte weist in die Ferne. Kein Wunder, gehören diese launigen Stücke doch wohl eher in das Film- und Ballettmusik-Repertoire des russischen Jahrhundertkomponisten. Schwierig einzuordnen Lukas Stamm, Simone Flück und Regula Bernath verstehen es, jedem ihrer Stücke ein individuelles Gesicht zu geben. In jedes wird genau hineingehört, Linien werden sauber herausgearbeitet, um sie dann ihre Geschichten erzählen zu lassen. Wie bei Jacques Ibert (1890–1961) einem Franzosen, dem alle möglichen «neo-» Artikel angehängt werden (neoromantisch, neoklassisch), dessen Art sich jedoch nicht einordnen lässt. «Allegro vivo» aus «Deux interludes» ist ein schönes Beispiel, wie eine vermeintliche einfache Melodie (Flöte) mit dramatischer Violinbegleitung und Flamenco-Rhythmik des Pianos den Weg frei macht zum Kopfkino nach spanischer Art. Und doch ist es ein typisches französisches Stück: Vermeintlich einfache Melodie gepaart mit subtilen Ton-und Rhythmusmustern, die gute Laune machen. Mit diesem Stück entliess das Trio sein Publikum. Dieses brach nicht auf, ohne zuvor viel Applaus gespendet und eine Zugabe gefordert zu haben. Das Publikum lauscht unter Obstbäumen der höfischen Musik.